Motorüberholung Vespa GS150Teil 4: Einstellarbeiten


In den vorhergehenden Teilen haben wir den Motor überholt und wieder eingebaut. Jetzt kümmern wir uns um die erforderlichen Einstellarbeiten und nehmen den Motor in Betrieb.

Zündung:

Bei der GS ist es zum Einstellen der Zündung sinnvoll, hierfür vorher die Elektrik anzuschließen, da mithilfe der Batterie der Zündzeitpunkt (ZZP) sehr genau ermittelt werden kann. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist bereits in den beiden Helferlein "Zündung einstellen" und "OT-Finder" beschrieben und soll daher hier nur ergänzt werden.

Der Zündzeitpunkt (Z) des GS-Motors liegt bei 31° vor dem oberen Totpunkt (OT). Es ist empfehlenswert, diesen Winkel in Form einer dauerhaften Markierung am Polrad anzubringen, da dann die Zündung jederzeit einfach überprüft werden kann. Nachdem der obere Totpunkt ermittelt wurde, kann dieser z.B. mit einem Körnerpunkt am Gehäuse und einem Anriß auf dem Polrad dauerhaft gekennzeichnet werden. 31° in Drehrichtung vor dieser Marke "OT" bringen wir eine zweite Marke "Z" an. Der Unterbrecherkontakt muß genau dann anfangen zu öffnen, wenn diese Markierung mit dem Körnerpunkt am Motorgehäuse fluchtet.
Da bei einem GS150-Polrad nur sehr schlecht mit der selbstgebastelten AOL-Werbe-CD-Gradscheibe gearbeitet werden kann, sollte der Winkel trigonometrisch ermittelt werden: Bei einem Durchmesser des Polrads von 144 mm beträgt die Länge der Sehne 38,5 mm bzw. der Bogen 39,0 mm. Diese Distanzen lassen sich einfach mit einer Schieblehre bzw. einem Maßband am Polrad abtragen!


Hier sieht man die beiden eingeritzten Markierungen. Der Zündwinkel wird am besten entweder in einem Kreisbogensegment oder einer Sehne am Polrad abgetragen.


Zuerst wird der Unterbrecherkontaktabstand überprüft: Es sollte 0,4mm betragen. Die Zündgrundplatte wird nun solange verdreht, bis der Unterbrecher genau zum richtigen Zeitpunkt anfängt zu öffnen. Bei der GS läßt sich das besonders einfach überprüfen, indem man die Zündung einschaltet und eine 6V-Glühbirne mit kurzen Kabeln zwischen Klemme 1 der Zündspule und Masse (Motorgehäuse) klemmt. Die Birne erlischt genau dann, wenn der Unterbrecher öffnet!


Vergaser:

Der Vergaser ist bis auf seine vertikale Anordnung als Fallstromvergaser vom Funktionsprinzip völlig identisch wie ein Motorradvergaser aus der gleichen Zeit. Die Einstellung des erforderlichen Gemisches erfolgt ja nach Betriebszustand auf drei verschiedene Arten:


Vergaser einstellen:

Wichtig: Bei allen Einstellarbeiten am Vergaser muß der Motor in dem Zustand sein, der später während der Fahrt vorliegt:

- warmer Motor
- montierter Luftfilter (!)
- Zündzeitpunkt muß richtig eingestellt sein
- Zündkerze W4CC oder entsprechender Wärmewert anderer Hersteller



Einfahren:

Wie jeder Motor muß auch ein frisch überholter GS-Motor langsam an seine Aufgabe gewöhnt werden.
Die damals üblichen breiten Kolbenringe müssen sich erst allmählich an die Kontur des Zylinders anpassen, um richtig abzudichten. Der weitverbreitete Irrglaube "alter Hasen", daß sich erst die Zylinderwände glätten müssen, ist blanker Unsinn: Die Flächen werden sogar durch das Honen absichtlich aufgerauht, um einen Halt für den lebenswichtigen Ölfilm zu ermöglichen. Aus diesem Grund entstehen Klemmer auch immer an Flächen, an denen der Kolben die Zylinderwand glatt "poliert": Hier hält der Schmierfilm nicht!
Bei GS-Motoren geschieht dies übrigens immer in der Nähe der Ein- und Auslaßöffnung, da sich der Zylinder hier anders erwärmt und daher ungleichmäßig ausdehnt. Wichtig ist daher ein langsames, aber entschlossenes Warmfahren. Übertriebenes untertourig-Fahren ist allerdings auch Kontraproduktiv, da der Einschleifvorgang sonst unnötig verlängert wird.

Der Hersteller schrieb eine Einfahrzeit von 3000 km vor, während denen eine Reihe von Vorschriften beachtet werden müssen:
Die Gänge dürfen nicht voll ausgedreht werden; es sind folgende Höchstgeschwindigkeiten zu beachten:

1. Gang: 25 km/h

2. Gang: 40 km/h

3. Gang: 55 km/h

4. Gang: 70 km/h

Nach 2000km sind im 4. Gang bereits 80 km/h erlaubt. Geschwindigkeiten nicht für längere Zeit auf gleichem Niveau halten, sondern öfter ändern. Erster Getriebeölwechsel nach 1000km. Das für die GS150 vorgeschriebene Zweitakt-Gemisch von 1:15 ist wahrhaftig ausreichend! Noch mehr Öl macht bei den anfangs relativ niedrigen Drehzahlen keinen Sinn und führt nur zu Ablagerungen am Kolben und im Auspuff sowie überflüssiger Umweltverschmutzung. Ideal zum Einfahren eines Rollers hat sich der moderne Stadtverkehr herausgestellt, da hier die Geschwindigkeiten ständig wechseln und alle Gänge benutzt werden. (Außerdem ist man immer in Reichweite öffentlicher Verkehrsmittel...)


Einen sehr guten Artikel zum Thema Einfahren habe ich in einer Ausgabe eines "Vespa-Tip"-Heftes von 1956 gefunden. Die Kernaussage: Niemand braucht Angst vor Kolbenklemmern zu haben, wenn man einige Randbedingungen beachtet und vor allem eines tut: Viel, zügig und mit Hirn fahren!
Und nun viel Spaß mit der GS!

Jan



Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 - Teil 4 - Teil 5 - Übersicht