Motorüberholung Vespa GS150Teil 1: Zerlegen


Der Ausbau des Motors

Bevor der Motor ausgebaut wird sollte überprüft werden, ob die Gummihülsen in der Schwingenlagerung ausgeleiert sind: Der Motor darf kein seitliches Spiel haben und sich nicht hin- und herbewegen lassen, sonst braucht man bei Höchstgeschwindigkeit zwei Fahrspuren...

Vor dem Ausbau sollte auch schon der Einfachheit halber das Getriebeöl abgelassen werden. Bevor wir es entsorgen stochern wir ein bißchen mit dem Finger darin herum: Metallspäne sind kein gutes Zeichen, rechtfertigen eine Überholung und bereiten uns seelisch auf das vor was noch kommt...

Der Ausbau selbst ist denkbar einfach:

- Vespa hinten aufbocken (z.B. auf Getränkekiste)
- Hinterrad demontieren
- Benzinschlauch und Ansaugbalg abziehen
- Alle Kabel- und Bowdenzugverbindungen lösen
- Federbeinbolzen und die Schwingarmschrauben entfernen
- Roller hinten hochheben, der Treibsatz bleibt liegen

(Gaszug: Vergaserdeckel abschrauben, Schieber herausziehen, Zug aushängen bzw. Klemmnippel öffnen, Feder nicht verlieren!)

Man kann die Schwinge natürlich auch im Rahmen lassen und nur den Motor herausnehmen; oft scheitert das aber an einer fast unlösbaren Verbindung zwischen Schwinge und Motorblock.

Als nächstes demontieren wir die Zündspule und den Vergaser samt Luftfiltergehäuse, da diese Teile leicht bei der Reinigung beschädigt werden könnten.

Erste (teure) Fehlermöglichkeit:

Wenn der Roller ganz zerlegt wird folgendes beachten: Das hintere Federbein ist oben in die Aufnahme eingeschraubt und fast immer festgerostet. Beim gewaltsamen Herausdrehen schert dann das Gewinde ab, das Federbein kann entsorgt werden... Da das sehr oft passiert sind GS-Federbeine rar und teuer! Unbedingt vorher mit Rostlöser einweichen und vorsichtig herausdrehen!

Motorreinigung

Das nächste Kapitel ist das ekligste: Vespa-Motoren sind eigentlich immer unfassbar dreckig, erst recht die 40-jährigen... Um später keinen Schmutz ins Gehäuse zu verschleppen sollte der Motor so sorgfältig wie möglich gereinigt werden - am besten erstmal mit dem Hochdruckreiniger an der Tankstelle. Dazu sicherheitshalber einen Lappen in die Öffnung des Vergaser-Stutzens stopfen.

Für die weitere Reinigung eignen sich wunderbar Drahtbürsten mit Holzgriff. (Diese kann man nämlich an der Spitze absägen wenn sie dort zerfleddert sind...) Petroleum ist genial zum Putzen und Konservieren von blanken Metallteilen und darüber hinaus nicht so giftig und krebserregend wie Benzin. Vor allem die Zylinder-Kühlrippen sind oft zugesetzt mit einem Öl-Staub-Brei, der dem Motor thermisch den Garaus machen kann, weil die Hitzeableitung reduziert wird. Die von Haus aus klemmanfälligen GS-Motoren sollten hier sauber sein! Wenn der Zylinder ohnehin gehont wird kann man ihn auch vorher Sandstrahlen. (Dichtflächen abdecken!)

Während dem Reinigen kann der Motor von seinen Anbauteilen befreit werden: Auspuff, Bremstrommel, Bremsankerplatte, Lüfterabdeckung, Gebläserahmen, Polrad mit Lüfterrad und Zündung. Auf diese Arbeiten soll hier nicht weiter eingegangen werden - sie sind an jeder Vespa gleich! Lediglich beim Polrad haben die Entwickler an uns Hobbyschrauber gedacht: Es wird kein spezieller Abzieher benötigt - die zentrale Mutter drückt beim Lösen gegen den Seegerring und zieht so das Polrad vom Wellenkonus.
Niemals das Polrad blockieren indem man etwas gegen einen Lüfterrad-Flügel klemmt! Diese sind so filigran daß sie sofort abbrechen! Ein einfaches aber effektives Hilfsmittel ist schnell aus einem Blechstreifen gebaut.

Das Demonstrationsobjekt ist hier zwar eine Lampe unten, aber bei der GS gehts genauso...
Der patentierte Hannes2000 Polrad-Blockierer. Dieser hier ist aus einem Stück Elektro-Hutschiene...

Unbedingt vor Ausbau der Zündung die Einbaulage reproduzierbar markieren!

Jedes Teil, das man abschraubt sollte man sich schon mal kritisch ansehen, ob es beschädigt ist. Nichts nervt mehr, als wenn man beim Zusammenbau überraschend feststellt daß etwas kaputt ist und man dann erst auf Teilesuche gehen muß (was bei einer GS ja bekanntlich dauern kann...)
Andererseits auf keinen Fall irgend etwas wegwerfen bevor man nicht das Ersatzteil dafür in Händen hält! Gerade Kleinteile wie Schrauben und Muttern haben oft sehr exotische Gewinde wie M7 oder M9! Die Wiederbeschaffung dieser Dinge kann ein echtes Geduldsspiel werden...

Zerlegen - aber richtig!

Letzter Kraftakt vor der eigentlichen Demontage des Rumpfmotors ist das Entfernen des Schwingarms. Der untere Haltewinkel des Federbeins spannt mit zwei langen Schrauben die Schwinge am Motorgehäuse fest. Vorne ist der Motor noch in der Nähe des Auspuffs mit der Schwinge verschraubt (da wo die Motornummer eingeschlagen ist!) Nach dem Lösen dieser Verbindungen kann der Motor im Schwingarm "verdreht" und so allmählich gelöst werden. Erfahrungsgemäß geht das Anfangs sehr schwer, da diese Klemmung oft noch nie gelöst wurde. Kriechöl, Geduld und ein Kunststoffhammer helfen.

Spätestens jetzt sollte man sich genau merken, welches Teil wo und wie angeschraubt war - beim ersten Mal ist es auch sehr hilfreich ein paar Fotos zu machen. Teile, die zusammen eine "Baugruppe" bilden sollten auch gemeinsam aufbewahrt werden (z.B. Kickstartermechanismus oder Kupplung)

Als erstes entfernen wir diverse Befestigungswinkel und Haltebleche (Bowdenzugspanner, Federbeinaufnahme, Zündspulenhalter etc). Der Kickstarter sollte noch montiert bleiben - er wird zum Ausbau der Schaltraste gebraucht!

Nach Lösen von 4 Muttern lassen sich Zylinder und Kopf abnehmen. Dies tun wir jetzt!

Die Kupplung ist wie bei allen Vespas unter dem separaten runden Deckel über der Hinterachse untergebracht. Im Deckel hängt lose der Druckpilz der nicht verloren gehen sollte! Die Zentrale Mutter der Kupplung mit SW14 liegt unter dem Druckteller (wenn dieser Euch bekannt vorkommt: Es ist derselbe wie bei der PX!). Zum Lösen dieser sehr fest sitzenden Mutter klemmen wir einen Hammerstiel (besser zwei) zwischen Kolben und Zylinderfuß und verhindern damit ein Mitdrehen der Kurbelwelle beim Öffnen der Mutter. Jetzt kommt der spezielle GS-Kupplungsabzieher ins Spiel, um den wir leider nicht herumkommen... Der kleine Halbmond-Keil wird aus der Welle gezogen und in Sicherheit gebracht.

So bleibt die Dichtfläche und der Kolben unbeschädigt!
Blockieren der Kurbelwelle

Der Kolbenbolzen ist mit Seegerringen in seiner Lage fixiert - diese müssen zum Ausbau entfernt werden. Mit einem Durchschlag kann jetzt vorsichtig überprüft werden ob sich der Bolzen herausschieben läßt - meistens tut er dies nicht!

Zweite (teure) Fehlermöglichkeit:

Nie (!!) das Pleuel der Kurbelwelle seitlich belasten! Wenn sich der Kolbenbolzen nicht von Hand verschieben läßt und man die Welle wiederverwenden möchte muß der Kolben erhitzt werden, dann geht es ganz leicht. Wenn man ein Stück Holz (Notfalls: Hammerstiel) zwischen Pleuel und Zylinderstehbolzen klemmt kann der Bolzen herausgedrückt werden ohne daß das Pleuel seitlich belastet wird. Anschließend können die Zylinder-Stehbolzen entfernt werden.

Der Ausbau der Schaltraste geschieht folgendermaßen: Beide Befestigungsschrauben lösen (Senkschrauben, oben) - je nachdem welcher Gang eingelegt ist sind sie evtl. von der Raste verdeckt. Dann wird der Kickstarter betätigt und gleichzeitig von Hand "geschaltet". Im zweiten Gang (dritte Kerbe von rechts) läßt sich das Schaltsegment herausfädeln wenn der Kickstarter ganz nach unten gedrückt wird

Vorsichtig nach "Hinten Oben" herausziehen
Schaltsegment ausbauen

Ein weitverbreitetes Leiden alter Vespas ist eine ausgeschlagene Welle des Schaltsegments. Leichtes Spiel ist noch OK, aber wenn das Segment richtig wackelt sollte man sich nach einem Ersatzteil umsehen. Es ist zwar prinzipiell möglich, die Achse zu schleifen und in einer Gleitbuchse neu zu lagern - der Aufwand ist aber nur gerechtfertigt wenn man die entsprechenden Möglichkeiten hat. Wie so oft gilt: Wer suchet der findet.

Motorhälften trennen

Jetzt können alle Gehäuseschrauben gelöst und entfernt werden; die vier Hutmuttern unter der Zündung nicht vergessen!
Die beiden Gehäusehälften werden jetzt nur noch vom Preßsitz der Kurbelwellenlager und evtl. einer klebenden Gehäusedichtung zusammengehalten. Mit einem Plastikhammer klopft man die beiden Hälften etwas auseinander - es gibt dazu am Motor drei exponierte Stellen. Da das Getriebeöl beim Ablassen nie vollständig herausläuft tut es dies jetzt... Anschließend kommt der ganze Motor auf die Herdplatte und wird erhitzt (Probe mit nassem Finger daß er nicht zu heißt wird! ). Jetzt lassen sich die beiden Hälften spielend leicht trennen. Nie mit einem Schraubenzieher "hebeln" - höchstens (wenn gar nicht geht) an dicken Stellen des Gehäuses (Augen der Schraubverbindungen) ganz leicht auseinanderdrücken. Absolut verboten ist jegliches Klopfen oder sonstige Gewalteinwirkung an der Kurbelwelle!! Diese ist so filigran daß sie sich sofort verzieht. Beim Auseinandernehmen der beiden Hälften fallen in der Regel auch die 23 Nadeln des Lagers der Vorgelegewelle heraus, da diese ohne Käfig offen in der Lagerbuchse liegen!

Nicht anbrennen lassen!!23 Nadeln müssens sein - sonst heißt es suchen...
Brutzel, köchel: Die Lager der Kurbelwelle haben einen strengen Paßsitz. Das offene Nadellager läßt die Herzen von Vorkriegstechnik-Fans höherschlagen...


Das weitere Zerlegen des Motors ist in Teil 2 beschrieben, wo es um das Prüfen der einzelnen Baugruppen geht!


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