Motorüberholung Vespa GS150Teil 2: Baugruppen Prüfen


Startmechanismus

Die Vespa-Motoren mit separater Schwinge haben einen gleichermaßen kompakten als auch komplizerten Kickstart-Mechanismus. Man sollte ihn nur zerlegen wenn:

1. Erkennbare Defekte vorliegen
2. Man unbedingt wissen will wie er funktioniert
3. Man sich genau merkt wie er wieder zusammengehört (!)

Meistens verlieren alte Vespas Öl am Kickstarter; dies liegt oft nur am 40 Jahre alten Filzring unter der Blechscheibe auf der Außenseite. Um ihn zu wechseln muß das Schaltsegment auch nicht ausgebaut werden! Auch das Sicherungsblech für die beiden "Kickstarthebelbefestigungsschrauben" verhindert ein Austreten des Öls aus den beiden Gewinden. Fehlt es sifft der Roller!

Zur Demontage des Mechanismus zuerst den Kickhebel ganz durchdrücken und gleichzeitig auf der Innenseite das Zahnsegment entnehmen. Achtung: Hier sitzen auch zwei kleine Federn, die leicht verloren gehen! Danach die gekonterte Sicherungsschraube oben neben der Schaltraste herausdrehen. Kickstarthebel abschrauben. Anschließend Gehäusehälfte auf die Heizplatte legen, erwärmen und mit einem Hammerschlag den ganzen Mechanismus nach innen herausschlagen.
Mit kritischem Blick sollte der Gummi-O-Ring überprüft werden. Die beiden kleinen Federn kann man bei Bedarf (oder Verlust) durch Federn aus einem Kugelschreiber ersetzen. Sinnigerweise sollten es aber zwei gleiche Federn sein, sonst verkantet das Zahnsegment später ständig!
Der Zusammenbau geschieht prinzipiell genauso, nur muß der eingepreßte Ring in exakt der richtigen Drehlage eingesetzt werden, sonst läßt sich später die Sicherungsschraube von außen nicht mehr eindrehen! Diese nie mit Gewalt eindrehen, da das Gewinde nur in das Alugehäuse eingeschnitten ist! Die große Feder muß in der Nut in diesem Ring eingehängt und vorgespannt werden um das Zahnsegment einzusetzen. Die kleinen Federn evtl. mit Fett in ihren Sitz "einkleben". Nicht verzweifeln! ;o)


Getriebe

Der Ausbau der Vorgelegewelle - auch Tannenbaum genannt - ist denkbar einfach: Unterhalb der Kupplung ragt die Achse aus dem Gehäuse, wo sie mit zwei gekonterten Muttern verschraubt ist. Diese Muttern und die spezielle Beilagscheibe nicht verlieren, da sie ein M9-Gewinde (welch Schwachsinn!) haben und schwer zu bekommen sind! Wenn man die Achse ein Stück aus dem Tannenbaum herauszieht läßt sich die ganze Einheit aus dem Motorgehäuse "ausfädeln". Typische Schäden gibt es hier meines Wissens nicht, und auch das Kugellager im Inneren kann im Normalfall wiederverwendet werden. Das Nadellager ist sehr schwer zu beschaffen und sollte nur ausgebaut werden wenn man sich sicher ist ein besseres (oder neues) zu bekommen! Wenn alle 23 Nadeln vorhanden sind und die Lagerflächen keine Riefen aufweisen kann man es getrost eingebaut lassen.

Die Hinterachse mit den Gangrädern wird nach innen aus dem Motorgehäuse herausgetrieben was erfahrungsgemäß sehr schwer gehen kann! Da die Lager beim Achsausbau im Gehäuse verbleiben ist auch mit Hitze leider nicht viel auszurichten... Wichtig ist nur, daß man beim Hämmern nicht das Gewinde für die Kronmutter auf der Achse beschädigt! Hierzu Mutter auf der Achse lassen.
Wenn man merkt das die Achse nicht ohne weiteres herausgeht vorher die Gangräder von der Achse nehmen (Seegerring) und in der Lage wie sie eingebaut waren ablegen. Die Räder sind nicht symmetrisch; wenn sie falsch herum eingebaut werden läßt sich das Getriebe nicht mehr schalten! Am besten das ganze Paket zur Aufbewahrung mit einem Kabelbinder zusammenschnüren.
Ist die Achseinheit ausgebaut wird das Sicherungsblech für die Schaltkreuz-Welle aufgebogen und diese herausgeschraubt (M7 LINKSGEWINDE, das gibt es tatsächlich!!). Das Schaltkreuz läßt sich nur in einer Richtung aus einer Nut in der Welle herausdrehen - nicht verzweifeln, es geht wirklich! Das Schaltkreuz sollte immer ersetzt werden, da es ein echtes Verschleißteil ist. Ich empfehle dringend nur geschmiedete original Piaggio Schaltkreuze zu verwenden, da billige Repros oft nach wenigen tausend Kilometern wieder ausgeschliffen sind und die Gänge anfangen herauszuspringen! Dann geht das ganze Spiel von vorne los...

Das Werkstatt-Handbuch sieht eine Prüfung der Gangräder und ihres Lagersitzes auf der Welle vor. Es gibt konkrete Toleranzgrenzen, ab denen die Räder oder die Welle ersetzt werden sollen. Heutzutage ist das Problem, daß es hierfür keinerlei neuen Ersatz mehr gibt und wir deshalb mit höheren Toleranzen leben müssen (was aber im Oldtimereinsatz normal keinen Weltuntergang darstellt). Natürlich könnte man sich einen Schlachtmotor besorgen und hoffen, daß die Teile hier noch besser erhalten sind - bei der Preisentwicklung für GS-Motor-Teile ist dies aber ein riskantes und teures Unterfangen...
Wesentlichstes Verschleißkriterium ist hier das axiale Spiel des Zahnradpaketes auf der Hinterachse. Es wird von einem Distanzring aus Blech begrenzt. Diese sogenannte "Anlaufscheibe" ist identisch mit der der PX und in mehreren Dicken erhältlich. Das vorgegebene Maximalspiel der Gangräder auf der Achse beträgt 0,4mm (Blattlehre!)
. Der hier als Demonstrationsobjekt verwendete Motor hatte ein Spiel von über 1mm... Wichtig ist nur, daß die neue Scheibe das Spiel nicht unter den vorgeschriebenen Minimalwert von 0,15mm reduziert! Bei zu kleinem Spiel droht hoher Verschleiß und die Gänge lassen sich kaum schalten; bei zu viel Spiel springen die Gänge unter Last heraus. (unabhängig vom Zustand des Schaltkreuzes!)

Der Ausbau der Hinterachslager geschieht wieder auf die übliche Weise: Erhitzen des Gehäuses und Herausschlagen mit einem Splinttreiber. Das innere Lager ist ein konventionelles Kugellager und identisch mit dem äußeren Radlager der V50 (ausnahmsweise ein Normlager, Bezeichnung 6204). Es wird von einem verschraubten Ring in seinem Sitz gehalten. Diesen kann man entweder dilletantisch mit einem Durchschlag öffnen oder sich einen passenden "Schlüssel" basteln. Meiner entstand ganz primitiv aus einem alten Zahnrad (zufällig der richtige Durchmesser), vier Schrauben und einer Nuß. Funktioniert.

Zweck heiligt die Mittel...

Das äußere, zweiteilige Radlager wird von zwei Seegerringen in seiner Position fixiert. Lager mit langem Durchschlag von innen nach außen heraustreiben. Dieses Lager hat leider Sonderabmessungen und ist daher ziemlich teuer - ca. 40 Euro. Wenn es einen guten Eindruck macht kann es evtl. auch eingebaut bleiben. Der Wellendichtring der Hinterachse zur Bremstrommel läuft über eine Stahlhülse, die unbedingt rostfrei sein muß! Ist dies nicht der Fall muß sie abgeschliffen und poliert werden, sonst dichtet der Ring nicht ordentlich und Getriebeöl gelangt in die Bremstrommel. Den Simmering selbst immer ersetzen!

Kurbelwelle

Wenn die Kurbelwelle ausgebaut wird sitzen auf ihr noch die beiden Hauptlager, die im Normalfall bei Zweitaktmotoren immer ersetzt werden. Zur Demontage wird ein spezieller Abzieher mit spitzen "Krallen" benötigt, da die Lager fast auf den Kurbelwangen aufliegen. Wer einen solchen nicht hat geht am besten in eine Roller-freundliche Werkstatt, da alle anderen Versuche z.B. mit Stemmeisen sicher zum Tod der Welle führen.
Vorher sollte man aber auch noch überprüfen, ob die Welle nicht vielleicht schon tot ist. Hier die "Checkliste":

Alle diese Punkte sind gleichermaßen wichtig. Im Zweifelsfalle sollte man sich durchringen eine neue Kurbelwelle zu beschaffen. Da es inzwischen preiswerte Repros gibt ist eine Überholung durch einen Fachbetrieb in der Regel teurer. Die Qualität mancher Billig-Wellen ist aber teilweise mehr als zweifelhaft. Wer also die Möglichkeit hat die Originalwelle professionell überholen zu lassen und nicht auf den Pfennig achten muß ist mit Sicherheit so besser beraten.
Man sollte sich auch im klaren sein daß die Kurbelwelle einer GS150 im Eifer des Gefechts mit bis zu 8000 Umdrehungen in der Minute läuft und daher hier ganz andere Anforderungen gelten als z.B. bei einer "Lampe Unten" im Museumsbetrieb...
Das Werkstatthandbuch ist natürlich voll von Tabellen mit den Verschleißgrenzen jedes einzelnen Maßes. Da man als Hobbyschrauber nur in den seltensten Fällen die Möglichkeit hat diese Maße überhaupt zu ermitteln soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden. Wenn der Motor vorher vibrationsfrei lief, die Welle beim Ausbau nicht geschrottet wurde und das Pleuelfußlager kein Höhenspiel aufweist ist die Welle aber bestimmt noch für einige tausend Oldtimerkilometer gut. Sicheres Zeichen für ein defektes Pleuellager ist unregelmäßiges metallisches Klopfen im Standgas und Rasseln bei hohen Drehzahlen.


Kupplung

Die Kupplung der GS ist ausnahmsweise nichts besonderes - sie hat exakt die gleichen Beläge wie die PX200, die man sicherheitshalber tauschen sollte. Auch die Druckplatte ist identisch mit der der PX-Kupplung; der Druckpilz dagegen ist etwas länger. Zum Zerlegen nimmt man entweder einen Kupplungsspanner oder eine lange Schraube um die Federn zusammenzudrücken. Bei letzterem nur darauf achten daß der Innenkonus nicht beschädigt wird! Die Scheiben zwischen den Belägen sind leicht gewölbt, daher beim Zerlegen die Einbaulage markieren. Die Federn der PX200 passen ebenfalls in die Kupplung; ein Austausch ruiniert einen finanziell nicht und garantiert guten Kraftschluß. Piaggio schrieb für die GS-Kupplung einen maximalen Weg zwischen belastetem und unbelastetem Zustand vor. Dieser vergrößert sich durch abgenutzte Beläge, einen eingelaufenen Sicherungsring oder ermüdete Federn:

Nur nicht ganz so schief sollte man messen...
Messen des Kupplungsweges

Der Kupplungsweg läßt sich einfach ermitteln indem man am Gewinde des Kupplungsmontagewerkzeuges mit einer Schieblehre die Differenz zwischen "entlastet" und "gespannt" mißt. Er sollte zwischen 2,6mm und 3,8mm betragen, sonst trennt die Kupplung nicht richtig oder rutscht durch - je nachdem.


Zerlegte Kupplung: Der Schraubring hat ein Linksgewinde

Zum weiteren Zerlegen der Kupplung muß der Gewindering aus Rotguß (Lagerbronze) geöffnet werden. (Linksgewinde!) Anschließend kann das Segment mit den Zahnrädern abgehoben werden und es purzeln die 40 Nadeln des Lagers heraus. Jetzt überprüfen wir, ob das mit der Grundscheibe vernietete Zahnsegment wackelt. Es muß absolut fest sein, sonst darf die Kupplung nicht mehr verwendet werden! Zum Zusammenbau des offenen Nadellagers kleben wir die Nadeln mit Fett auf den inneren "Lagerring". Den Ring fest verschrauben. Wenn die Druckplatte Riefen aufweist ist der Motor mal mit zu wenig Öl gelaufen; in diesem Fall sollte sie und der Druckpilz getauscht werden.
Oft hat man das Problem, eine andere, gebrauchte Kupplung einbauen zu müssen weil die originale Kupplung defekt ist. Unterschiedlich ausgeschliffene Zahnräder an Kupplung und "Tannenbaum" können hier ein ziemliches Heulgeräusch unter Last verursachen. Es wird meistens mit der Zeit besser, läßt sich aber leider manchmal nicht vermeiden da kaum jemand die Möglichkeit hat die betroffenen Zahnräder paarweise gegen neue zu tauschen.


Kolben & Zylinder

Beim Zylinder und Kolben ist es relativ eindeutig: Ich habe noch nie einen GS-Kolben gesehen der nicht schon einmal geklemmt hat. Hier gilt es zu entscheiden wie schwer der Schaden ist. Leichte Klemmspuren sind nicht so wild wie viele vermuten, gerade Klemmer, die viele tausend Kilometer zurückliegen haben sich inzwischen wieder freigearbeitet. Wenn der Roller nicht gerade im Renneinsatz ist gilt es wirklich zu überlegen ob man sich die 3000km Einfahrzeit (immer mit der Hand an der Kupplung) wirklich antut - von den Kosten für Übermaßkolben, Bohren und Honen einmal abgesehen. Repro-Kolben sind zudem oft von zweifelhafter Qualität und sicher kein Garant dafür daß der Motor nicht irgendwann wieder klemmt.


Dieser Kolben hat's hinter sich. Wenn die Ringnuten
beschädigt sind ist natürlich nichts mehr zu retten...

Die Kolbenringe sollten auf ihr Stoßspiel überprüft werden, indem sie ohne Kolben in der Zylinder eingesetzt werden und man dann mit einer Blattlehre den Spalt zwischen den "Enden" mißt. Der Ring sollte dabei natürlich an einer Stelle sitzen wo er im Betrieb auch "vorbeikommt" und nicht ganz oben oder unten im Zylinder. Der Stoß sollte nicht größer sein als 0,4mm.
Oft genügt auch ein leichtes Überhonen des Zylinders in Verbindung mit neuen Kolbenringen. Die Zylinderbohrung beträgt ab Werk 57mm, es sind Übermaßkolben bis ca. 58mm erhältlich. Ist das bereits ausgereizt heißt es einen anderen Zylinder suchen.
Die Kolbenbolzen-Sicherungsringe sollte man übrigens sicherheitshalber immer austauschen, da sie mit der Zeit ihre Spannung verlieren und sich lösen können. Da es sich hierbei um Normteile handelt ist die Beschaffung kein Problem.

Vergaser

Eigentlich unnötig zu erwähnen, daß der GS150-Vergaser wieder etwas anders ist als der normaler Vespen...
Er war in seiner Art bei der GS1 / VS1 der erste Fallstromvergaser in einem serienmäßigen Vespa-Motor. Er ist, trotz der senkrechten Anordnung des Venturi-Rohres, einem Motorradvergaser der 50er Jahre sehr ähnlich. Vor allem die getrennte Schwimmerkammer und die Gemischeinstellung mittels Nadeldüse ist typisch für diese Zeit. Es gab zwei verschiedene Typen (S1 und S3), die sich allerdings scheinbar nur durch die Farbe unterschieden.

leider falschherum fotographiert...
Der Dell'Orto-Vergaser UB23S3 montiert und teilzerlegt

Wichtig ist bei der ersten Überprüfung vor allem einmal, daß keine Teile fehlen und alle Gewinde in Ordnung sind. Von echtem Verschleiß betroffen sind eigentlich nur drei Dinge, die sich aber leider alle ziemlich störend auf den Fahrbetrieb auswirken:

Ansonsten sind natürlich alle klassischen Vergaserkrankheiten denkbar, die einen ziemlich ärgern können. Wenn der Roller lange Zeit gestanden ist kann man davon ausgehen, daß sich altes Zweitaktöl (1:15!) in den engen Kanälen abgelagert hat, das z.B. das Standgassystem oder die Düsen verstopfen kann. Genial ist hier eine Ultraschallreinigung, die heutzutage jeder Rasenmäher- oder Kettensägen-Service anbietet.
Die Dichtfläche zwischen Vergaser und Ansaugstutzen muß bei beiden Teilen unbeschädigt sein, sonst zieht der Motor Falschluft und dreht unkontrolliert hoch. Den O-Ring am Ansaugstutzen sollte man immer ersetzen.
Das Benzinfilter an der Verbindung zwischen Benzinschlauch und Schwimmerkammer ist eigentlich immer zugesetzt mit Rückständen oder Rost aus dem Tank.
Gelegentlich wird der Plastik-Schwimmer undicht und dadurch schwerer. Ist dies der Fall bleibt der Schwimmer immer in seiner unteren Stellung und läßt zuviel Sprit nachfließen. Das Gewicht ist aufgedruckt und sollte genau stimmen. Wenn man höflich fragt und ein paar Hustenbonbons kauft wiegt einem der Apotheker den Schwimmer vielleicht nach...
Alle roten Hartpapierdichtungen sollten getauscht werden. Wenn sie nicht im Dichtsatz sind hat sie sicher die nächste Autowerkstatt.

Fazit: Bis auf eine Wurfpassung zwischen Gasschieber und Gehäuse lassen sich alle Mängel beheben. Auch ein Nachschneiden defekter Gewinde ist möglich und lohnt sich im Normalfall auch. Sonst ist einfach ein bißchen Detektivarbeit gefragt, denn ein Anruf beim nächsten Vespa-Händler ist wahrscheinlich unergiebig...


In Teil 3 ist die Montage des Motors beschrieben.


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