Die Geschichte der Messerschmitt-Vespas (1955 - 1957)


1955

Die Geschichte der Messerschmitt-Vespas beginnt im Januar 1955 im totalen Chaos: Bis zum Herbst 1954 hatte der Unternehmer Jakob Oswald Hoffmann aus Lintorf äußerst erfolgreich Vespas für den deutschen Markt in Lizenz gebaut - bis er sich mit dem eigenentwickelten Modell "Königin" den Zorn der Italiener zu- und seinen Lizenzvertrag entzog.
Der Wunsch nach einem stärkeren Rollermodell wurde erst 1955 erhört als man auch in Italien die plötzliche Konkurrenz spürte. Immerhin waren zu diesem Zeitpunkt mit Bella, Tourist, Goggo und Co. einige Roller mit der doppelten Leistung der "Lampe Unten" auf dem Markt.


An allem Schuld: Die Hoffmann Königin


Auf der Suche nach einem neuen Produktions- und Vertriebspartner wurde man bei der Firma Messerschmitt in Regensburg fündig; einer Art Leidensgenosse: Wie Piaggio oder Heinkel war es auch ihnen nach dem Krieg untersagt worden Flugzeuge zu bauen. Messerschmitt versuchte seit 1953 mit dem Bau des legendären Kabinenrollers am florierenden Geschäft mit preiswerten Kraftfahrzeugen teilzuhaben. Zu diesem Kleinwagen passten die Vespas ganz hervorragend - also wurde für die Prodution der Lizenzvespas ein Werk in Augsburg eröffnet.


Kennt jeder - mag jeder: Messerschmitt KaRo


Ziel war es, Deutschland erst einmal so schnell wie möglich mit Rollern aus dem Programm von Piaggio zu versorgen und alsbald eine eigene Fertigung aufzuziehen. Das erste Modell, die Vespa 150T/1 war eine leicht abgeänderte Version der italienischen VL1T mit blau-weißer Lackierung. Die Roller wurden als "Bausatz" importiert und hier montiert, nur Anbauteile wie Beleuchtung, Tacho, Sättel und Reifen wurden von einheimischen Zulieferern bezogen.

Mehr zum Thema Messerschmitt T1 gibt es hier


Parallel bot Messerschmitt auch das nagelneue GS-Modell von Piaggio für den deutschen Markt als Importfahrzeug an. Es war jedoch aufgrund der Einfuhrzölle so teuer, daß es kaum Absatz fand. In einigen Quellen taucht auch auf, daß Messerschmitt schon 1955 eine Handvoll Vespa GS1 aus rein italienischen Teilen montierte und verkaufte.
Interessant ist folgendes Titelbild der "Roller-Revue" vom September 55: Es zeigt eine italienische GS VS1 (siehe: Sitzbank, Hupe, fehlende Backenzierleisten, fehlendes Schlitzrohr...) mit Messerschmitt-Emblem. Es ist demnach eine dieser allerersten für den deutschen Markt importierten GS150. Im Heft wird die "neue Sport-Vespa" auf Herz und Nieren geprüft.
Testbericht der GS/1




1956

1956 war es dann soweit: Messerschmitt bot mit den Modellen 150 T/2 und 150 GS/2 zwei komplett eigenständige Roller an. Beide Modelle basierten auf demselben Chassis und unterschieden sich primär durch die Motorisierung.
Prospekt von 1956 mit T/2 und GS/2

GS/2

Die Vespa GS ging erstmals über den ursprünglichen Zweck der Vespa, nämlich ein möglichst einfaches und billiges Nutzfahrzeug zu sein, hinaus und wurde mit der doppelten Motorleistung einer Vespa 125 der Inbegriff des "Luxusrollers" mit sportlicher Note.
Die GS2 war eine modifizerte Variante der nur in Italien gebauten Vespa GS1 (VS1). Die Karosserie erinnerte mit den außenliegenden Bowdenzügen noch stark an die "Lampe unten"-Modelle. Die Hauptunterschiede zwischen GS1 und GS2 bestanden in den Anbauteilen wie Beleuchtung, Tacho, Sitzbank und Hupe die jeweils von inländischen Zulieferern eingekauft wurden. Die deutsche GS hatte auch nicht den hohen 11-Liter-Tank der VS1 sondern einen flachen mit 9 Liter Inhalt. Dies ermöglichte die Montage der deutlich bequemeren Denfeld-Sitzbank wie wir sie von der GS/3 her kennen. Der Motor wurde am Stück aus Italien importiert und hatte noch einen Zylinder mit Klemmanschluß für den Auspuff.
Testbericht der GS/2

T/2

Die T/2 ist ein Modell, welches es in dieser Form in Italien nie gegeben hat. Sie ist in weiten Teilen identisch mit dem GS-Modell. In Italien hatten alle Touren-Modelle (dieser Begriff war dort eigentlich nicht üblich, man sprach von der Standard- oder Basisversion) nur 8"-Räder und völlig andere Rahmen. Hauptgrund für dieses Phänomen dürfte die Stückzahl-Problematik bei Messerschmitt gewesen sein: Mit dieser Maßnahme wurden zusätzliche Fertigungseinrichtungen eingespart; damit wurde auch schon bei geringeren Stückzahlen eine Kostendeckung möglich. Zum Vergleich: Bei Messerschmitt wurden während der gesamten Produktionsdauer von 1955 bis 1957 insgesamt ca. 17600 Roller hergestellt; in Italien liefen im selben Zeitraum ein paar Hunderttausend Vespen vom Band.
Die Unterschiede der Karosserie bestanden lediglich in den Stehbolzen für den Schwingsattel und einer Öffnung für den Ansaugstutzen unter der "Vergaserklappe" bei der Touren und einer Ansaugöffnung unter der Motorbacke bei der GS.
Der Motor wurde unverändert vom 1955er T/1-Modell übernommen.
Während die GS/2 nur in Silbergrau angeboten wurde war die T/2 in den Farben Blaumetallic, Bordeauxrot und Indisch-Bambus-Beige lieferbar.
Testbericht der T/2



1957

Im dritten und letzten Produktionsjahr änderte sich nicht mehr viel: Die Vespa GS/2 wurde unverändert gebaut. Obwohl die GS-Modelle in Italien längst einen Lenker mit innenliegenden Bowdenzügen hatten blieb man bei Messerschmitt der alten Form treu.

T/3

Anders dagegen das Touren-Modell: Hier hielt 1957 mit dem Modell T/3 der neugestaltete Lenker Einzug. Darüber hinaus hatte auch der Rahmen einen etwas breiteren Mittelholm. Die T/3 hatte standardmäßig zwei Schwingsättel; das Modell"Export Luxus" konnte gegen Aufpreis mit der Denfeld-Sitzbank der GS geordert werden. Neu hinzugekommen war auch Farbe "Cortinagrau". Die Restbestände der Vespa T/2 wurden kurze Zeit parallel weiterverkauft.
Testbericht der T/3


Ende 1957 war Schluß mit Messerschmitt: Die Roller für den deutschen Markt wurden fortan von der Piaggio-Tochterfirma "Vespa Augsburg GmbH" hergestellt und vertrieben. Es war demnach kein Lizenzbau mehr sondern eine offizielle deutsche Niederlassung.
Ab 1958 wurde dann auch allmählich die Produktpalette umgestellt:
- Die T/3 erhielt das typische Schwanenhalsrücklicht statt dem rechteckigen Hella-Rücklicht.
- Die GS/3 "Typ 112" erschien als Nachfolgemodell der GS/2, hatte aber noch Sternfelgen.
- Erstmals seit 1954 wurde wieder ein 125er Vespa-Modell präsentiert.
- Die völlig neukonstruierte Vespa 150 T/4 löste ein Jahr später die T/3 ab.

Aber das ist wieder eine andere Geschichte...

Im Messerschmittwerk wurden noch bis 1964 Kabinenroller hergestellt; dann war die Zeit der Kleinstwagen und Rollermobile entgültig vorbei. MBB ist seither wieder dort womit es losging: Die Luftfahrt.



Stückzahlen Messerschmitt-Vespas:


Wie viele Messerschmitt-Vespas es noch gibt ist leider völlig unklar. Viele sind es jedenfalls nicht mehr...
Mittelfristig würde ich aber gerne eine Art "Online-Messerschmitt-Zentrale" ins Leben rufen welche sich der Erhaltung der Roller und der Ersatzteilbeschaffung widmet. Ihr könnt dazu beitragen: Ich freue mich über jede Mail mit Infos und Bildern von Euren Rollern der oben genannten Typen!
Vielleicht entsteht ja irgendwann einmal etwas ähnliches wie das Register der Augsburger GS/4-Modelle von Marcel "GS4" Werner.